Claudias 'Aufsatz' über Thalidomid für unseren Hausarzt vom 22. April 2002
 
Claudia Kohl
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Herrn
Josef Gurtner
St.-Johann-Str. 8
73430 Aalen

 

 

Aalen, 22. April 2002

Sehr geehrter Herr Gurtner,

wie auch Ihnen nicht entgangen sein sollte, leide ich an einer als unheilbar geltenden Erkrankung und habe mit Unterstützung einzelner kooperativer, kompetenter und mitmenschlicher Kapazitäten aus dem medizinischen Sektor und entgegen aller widrigen Umstände, die durch Personen des gleichen Fachbereichs verursacht wurden und welche oft genug dem Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung allzu nahe gekommen sind, jede Statistik bezüglich meiner Prognose Lügen gestraft.

Der Grund, warum ich sie dringend ersuche, mit der Behandlung mit Thalidomid unverzüglich zu beginnen, ist begründet durch folgende Punkte

1.) die gängigen antineoplastischen Therapieoptionen haben mich vorerst an die Grenze meiner Belastbarkeit getrieben, weitere immunsuppressive Maßnahmen, abgesehen von evt. lebensnotwendigen Corticoidgaben kann ich mir im Moment im Hinblick auf meine bekanntermaßen eingeschränkte Lebensqualität nicht leisten.

2.) ich gelte nicht definitiv als tumorfrei, eine wait and see Strategie kostet u. U. mein Leben.

3.) ich habe alle Auflagen einschließlich invasiver empfängnisverhütender Maßnahmen erfüllt, die Voraussetzung zur Überlassung des Präparates sind. (Schwangerschaftstest vom 12. April 2002 negativ)

4.) durch weiteres Zuwarten verringert sich möglicherweise rapide die Lebenserwartung von weiteren 50 Jahren, die ich vor 16 Monaten noch gehabt habe

5.) ich habe mir durch eingehendes Studium der momentan verfügbaren Literatur (sh. Anlage) zum antiangiogenetischen Wirkprinzip von Thalidomid eine Meinung gebildet, die mich veranlaßt, die Verantwortung für alle denkbaren Risiken und Nebenwirkungen, die mit der Präparateinnahme verbunden sein können unter sorgfältiger Abwägung der Nutzen/Risiko-Relation auch bei diesem Behandlungsschritt selbst zu tragen.

Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und im Beisein meines Ehemannes bestätige ich, Sie jeglicher Verantwortung bzgl. eintretender Komplikationen im Zusammenhang mit der Einnahme von Thalidomid zu entbinden.

Ich habe keine weiteren Fragen und insistiere auf Aushändigung des Thalidomid.

 

Aalen, den 21.04.2002
 

Claudia Kohl

 


 

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